Mind

Wie ich mich von meiner Flugangst befreit habe

6. September 2016
flugangst

„Die Furcht ist das Unglück, deshalb ist nicht Mut das Glück, sondern Furchtlosigkeit.“ Dieser Satz stammt von Franz Kafka und hat sich tief in mein Gehirn gebohrt. Viele Jahre litt ich unter Flugangst, die sich mit lästigen Schweißausbrüchen, Atemnot und mit schlaflosen Nächten vor dem Fliegen, bemerkbar machte. Ich hatte guten Grund, dachte ich, schließlich hatte ich mal ein wirklich heftiges Erlebnis. Auf einem Flug nach Zürich. Jeder dachte, das war’s jetzt. Aus die Maus. Ende Gelände. Es ging noch mal gut. Leider fiel die gleiche Maschine exakt eine Woche später doch noch in Zürich vom Himmel. Keiner überlebte. Als ich davon erfuhr, saß ich gerade in Indien mit einem warmen Chai in der Hand am Rechner. Mir wurde schlecht.

Jahrelang habe ich dieses Erlebnis mit mir herumgetragen. Nachdem ich aus Indien zurückkam, bin ich fünf Jahre nicht mehr in einen Flieger gestiegen. Als ich mich dann wieder halbwegs locker machen konnte, habe ich mir homöopathische Beruhigungsmittel reingepfiffen. Wenn das nicht half, mir hektisch eine Flasche Wein an Board innerhalb von 30 Sekunden hinter die Binde gekippt. Für mich bedeutete jeder Flug, mit dem Leben abzuschließen. Todesangst. Das hat mich immens gestresst. Ich bin lieber 20 Stunden mit der Bahn durch die Gegend gegurkt, statt den Flieger zu nehmen. Kann man machen.

Vor zwei Jahren dachte ich, wenn ich einfach mal eine Flugkur mache, also ständig fliege, werde ich mich schon daran gewöhnen. Pustekuchen. Es ging soweit, dass ich vorn in den Flieger einstieg und hinten wieder raus. Keine Luft bekam. Die Rechnung ging also nicht auf. Ich fuhr wieder artig mit der Bahn.

Diesen Frühling kam die Wende. Ich hatte keine Lust mehr, mich von meiner Furcht leiten zu lassen. Ich war jobbedingt viel unterwegs. Ich wollte für eine Anreise keine 12 Stunden unterwegs sein. Schließlich habe ich auch noch eine Familie, da ist jede Minute, die ich einsparen kann,  kostbar. Außerdem kommt man ja mit der Bahn auch nicht überallhin. Nach New York zum Beispiel. Ich hatte schon vorher ein paar erhellende Momente, als ich dachte, wenn ich abstürze, bin ich ja immer noch bei meiner Familie. Nur eben als Geist.

Wenn man regelmäßig meditiert, hilft das schon sehr bei Flugangst. Vor einem Flug mache ich die Kundalini Meditation. Da schüttel ich alle meine Zweifel ab. Ist der Flug zu früh am Morgen, mache ich am Abend vorher die Nadabrahma Meditation. Was mir aber auch sehr geholfen hat: Mir klar zu machen, dass ich nicht die Kontrolle über mein Leben habe. Und Flugangst scheint Furcht vor einem Kontrollverlust zu sein. Zumindest bei mir. Fliegen hat etwas mit Hingabe zu tun. Ich gebe mich dem Leben hin. Und dem/der PilotIN. Das ist eine spezielle Erfahrung. Sich auf etwas voll und ganz einzulassen, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Was nützt es schon, stundenlang verspannt im Flieger zu sitzen, wenn man es auch genießen kann.

Kommen Zweifel oder Ängste hoch, beachte ich diese Gedanken nicht mehr wie früher. Da ging richtig die Post ab in meinem Schädel. Denke an etwas anderes. Das braucht ein wenig Übung, klappt aber recht zügig. Mein Mantra während eines Fluges lautet: „Es gibt nichts Schöneres als FLIEGEN.“ Das bete ich rauf und runter. Der ganze Körper wird sanfter. Nimmt Raum ein. Ich kann tiefer ein- und ausatmen.

Gern sitze ich in der Mitte, Gangplatz. Das ist für mich der angenehmste Ort. Wenn es turbulent wird, wie letzten Sonntag, als ich von Zürich nach Berlin geflogen bin, dann schwinge ich energetisch mit den Bewegungen mit. Das ist ein bisschen wie beim Achterbahn fahren. Man kann eine gute Zeit haben, oder eine gräßliche, weil man sich so schrecklich anspannt. Man hat die Wahl. Ich fliege momentan fast jede Woche. Ich habe nun langsam Urvertrauen entwickelt. Nehme auch keine Globulis mehr und trinke auf einem Flug keinen Alkohol.

Hier ein paar Dinge, die mir auch helfen, beim Fliegen entspannt zu bleiben.

Ich höre Podcasts, die ich mir vorher auf mein Telefon heruntergeladen habe. Diese hier kann ich sehr empfehlen.

Ich habe immer ein großes Tuch zum Einkuscheln dabei, damit fühle ich mich geborgen und beschützt. Vorher sprühe ich es mit einem Airspray ein, das beruhigt die Nerven und hilft, die Luft im Flieger dezent angenehmer zu machen.

Mein Thermobecher ist immer auf längeren Flügen mit dabei. Auch Tee und Miso nehme ich mit. Dann lasse ich mir heißes Wasser geben und kann mir jederzeit mein eigenes Getränk machen.

Ich mag es überhaupt nicht, wenn durch die trockene Luft mein Gesicht spannt. Deshalb habe ich auch immer ein Gesichtswasser dabei.

Flugangst kann überwunden werden!

Ich bin das beste Beispiel. Ein guten Rat habe ich noch: Ich habe früher so gern über meine Flugangst geredet. Sie mir quasi eingeredet, sie gehörte zu mir, wie die Biene Maja zu Willi. Wir sind nicht die Flugangst. Wir haben damit nichts zu tun. Wir können es jederzeit ändern. Es ist eine Einstellung. Schritt eins: Nicht mehr darüber reden, dann verpufft sie schon ein großes Stück. Versprochen!

#staytrue

Madhavi

Madhavi Guemoes
Madhavi Guemoes dachte mit 15, dass sie das Leben vollständig verstanden habe, um 31 Jahre später zu erkennen, dass dies schier unmöglich ist. Sie arbeitet als freie Autorin, Aromatherapeutin, Podcasterin, Bloggerin und Kundalini Yogalehrerin weltweit und ist Mutter von zwei Kindern. Madhavi praktiziert seit mehr als 30 Jahren Yoga - was aber in Wirklichkeit nichts zu bedeuten hat.
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  • Linda
    7. September 2016 at 8:05

    ..und schon mit dem ersten Satz hattest du mich. Toller Artikel, und auch für mich sehr hilfreich. Großes Dankeschön!!
    Einen tollen Tag,
    Linda

  • Julia
    7. September 2016 at 8:18

    Liebe Madhavi, danke für diese Zeilen, sie sprechen mir aus der Seele. Mein Fernwehnervzwerg steckt mich regelmäßig in ein Flugzeug und mein Kopfkino fährt dann sein volles Programm. Ich wünschte Loslassen und Leichtigkeit wären meine Sitznachbarn, aber bisher wollen sie einfach nicht mitkommen. Ich werde deine Worte beherzigen, vielleicht klappt es ja 🙂 Namasté, Julia

  • Angelika
    7. September 2016 at 12:57

    Ich bin auch viel lockerer geworden, seit ich vor ein paar Jahren auch sehr viel geflogen bin. Die Abgabe der (gefühlten) Kontrolle ans Cockpit finde ich sehr interessant. Sie macht mir immer wieder bewusst dass ich ja auch am Boden nicht die volle Kontrolle habe.

    Meine Mantren sind „alles ist gut“, „ich bin in Sicherheit“ und manchmal fange ich auch an zu singen (also nur im Kopf!): „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, bleiben darunter verborgen…“

  • Kathinka
    7. September 2016 at 14:28

    Oh Mann, mir geht es leider genau so. Danke für die guten Tipps!

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