Eine Yogalehrer-Ausbildung zu absolvieren und sich dann auch tatsächlich auf das Yogalehrer-Parkett zu wagen, sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Manche machen die Yogalehrer-Ausbildung und merken (wenn sie Glück haben rechtzeitig) dass diese Verantwortung nichts für sie ist.
Andere wiederum stürzen sich mit viel Trara oder gemächlich, wenn sie von der leisen Sorte sind, ins Yogalehrer-Haifischbecken. Leider wird man oft haltlos nach einer bestandenen Yogalehrer-Ausbildungen auf die Menschheit losgelassen, was fatale Folgen haben kann. Als ich damals meine erste Hatha Yoga Ausbildung absolvierte, war ich blutjung, schrecklich unerfahren und war sehr froh, wunderbare Mentoren zu haben, die mich an die Hand nahmen und mich in ihre Kunst des Unterrichtens einweihten.
Ich habe hier ein paar Punkte zusammengefasst, die mir sehr geholfen haben. Vielleicht ist ja auch für dich etwas dabei.
1. Fang einfach an!
Du hast deine Yogalehrer Ausbildung abgeschlossen, hältst stolz wie Bolle dein Zertifikat in der Hand und wartest darauf, dass grandiose Angebote vom Himmel fallen? Tja, das wird nicht passieren, außer du hast schon ein fulminantes Netzwerk im Vorwege aufgebaut oder wohnst in Hintertupfingen. Keiner wartet auf dich. Es gibt unfassbar viele arbeitslose, hungrige Yogalehrer, die alle nach Yogaklassen und Ruhm, vor allem Ruhm, hecheln. Hier aber die gute Nachricht: Lass dich nicht entmutigen. Es ist noch reichlich Platz! Gute Yogalehrer sind immer gefragt. Suche dir einen Mentoren, einen Yogalehrer, den du sehr schätzt und gehe in seine Yogaklassen. Nimm so viele Yogaklassen von ihm wie möglich und biete ihm deine Vertretung, falls er sie mal braucht, an. Emsige Yogaschüler, die regelmäßig kommen und wissen, wie der Yogalehrer unterrichtet, schätzen die meisten Yogalehrer sehr. Warte nicht, werde sofort! tätig. Unterrichte jeden, der willig ist: die Nachbarn, den Gemüsehändler, den Opa. Übe, übe, übe.
2. Asanas wirken von allein
Diese Aussage bekam ich von meiner damaligen Yogalehrerin. Sehr hilfreich und beruhigend. Gerade am Anfang darf man nicht zu perfektionistisch sein, die Schüler nicht vollquatschen mit allem, was man gerade strebsam gelernt hat. Gib ihnen Raum! Mache dir keinen Kopf, wenn du etwas nicht hundertprozentig richtig ansagen kannst, das wird schon. Lege Unsicherheit beiseite und unterrichte das, was du in diesem Moment weißt. Keiner erwartet mehr von dir. In zehn Jahren sieht alles schon anders aus. Die Kunst des Unterrichtens ist ein weites Feld, ein langer, manchmal steiniger Weg. Gib Dir Zeit und vor allem: Vergleiche dich nicht mit Yogalehrern, die schon lange unterrichten!
3. Praktiziere, praktiziere, praktiziere
Wenn du weißt, wie sich eine Asana, eine Atemübung anfühlt, dann kannst du während des Unterrichtens ganz andere Ansagen geben, als wenn du nur eine leise Ahnung von der Stellung oder Atemübung hast. Das Praktizieren lässt dich beim Unterrichten sicherer werden, baut dein Prana auf, was die Yogaschüler an deinem Wesen, deiner ansteckenden Ausstrahlung, natürlich bemerken. Möchtest du einen Yogalehrer haben, der nie praktiziert? Eben!
4. Bereite dich vor
Als ich damals anfing, Anusara Yoga zu unterrichten, habe ich für jede Yogaklasse fünf Stunden Vorbereitungszeit investiert! Unfassbar aufwendig. Ich war verzweifelt. Das stand nicht im Verhältnis. Ich dachte tatsächlich, das wird sich nie ändern. Mittlerweile habe ich Abläufe und Themen im Kopf, brauche nicht mehr so viel Zeit, um eine Yogastunde vorzubereiten. Der Aufwand hat sich am Anfang aber wirklich gelohnt. Es müssen ja keine fünf Stunden sein, aber ein Besinnen darauf, was man in der Yogastunde machen möchte, ist nicht unklug! Wenn du fertig bist mit der Vorbereitung versteife dich keinesfalls auf deine Sequenz oder das Thema, denn du weißt nie, was für Yogaschüler kommen werden (außer du hast eine feste Truppe) oder ob das Thema heute angebracht ist. Vorbereiten, einstimmen und loslassen. Eine gute Übung!
5. Observiere
Ich weiß, dass wird nicht in allen Yogarichtungen gern gesehen. Das Observieren von Yogastunden kann dir enorm weiterhelfen. Frage deinen Mentoren, oder einen Yogalehrer, dessen Unterrichtsstil du schätzt, ob du nicht mal in seiner Yogaklasse in einer kleinen Ecke sitzen, und von außen einen Blick auf die Yogastunde werfen darfst. Sage ihm, dass du gern von ihm lernen möchtest. Mache dir dann während des Unterrichts Notizen, achte auf den Aufbau, Rhythmus, Tempo, Wortwahl und wie er den Schülern begegnet, was er während der Adjustments genau macht, und wie die Schüler darauf reagieren. Observiere so oft du kannst, es ist eine wunderbare Art zu lernen.
6. Assistiere
Nachdem du beim Observieren ein paar Tricks und Tipps gelernt hast, biete dem Yogalehrer deine Assistenz an. Manchmal sind Yogaklassen sehr gut gefüllt, dass es eine Bereicherung ist, wenn ein zweiter Yogalehrer einen Blick auf die Schüler hat. Du wirst die ersten Male vielleicht aufgeregt und unsicher sein. Keine Sorge! Das geht vorbei.
7. Bitte deinen Mentor, deine Yogastunde zu besuchen
Aufregend, nicht? Frage ihn, ob er mal einen Blick auf deine Yogastunde werfen und dir danach ein ausführliches Feedback geben kann. Das fällt sicher nicht immer bombastisch aus, denn auch Yogalehrer, die schon Jahrzehnte unterrichten, bekommen nicht immer das beste Feedback. Nur daraus kann man lernen und wachsen. Gib deinem Mentor Zeit, vielleicht kommt das Feedback erst ein paar Tage später, das hat aber nichts zu bedeuten, manchmal braucht es einfach ein bisschen, eine Yogastunde auf sich wirken zu lassen.
8. Nimm deine Yogaklasse auf
Meine Mentoren haben meine Yogaklassen eine Zeit lang immer auf Band mitgeschnitten. Horror! Allerdings ist es sehr hilfreich, zu wissen, was man im Unterricht so schwafelt. Einfach dein Mobiltelefon neben deine Yogamatte legen und mit der iRecorder App deinen Yogaunterricht aufzeichnen…..
9. Sei geizig und bedacht mit deinen Worten
Wenn ein Yogalehrer ständig „super gemacht“ in die Yogaklasse ruft, obwohl alle nur das rechte Bein angehoben haben, dann frage ich mich, was diese Aussage soll. Auch „toll, „sehr gut“ oder „prima“ nach jedem Schritt, den man auf der Yogamatte tätigt, macht für mich keinen Sinn und nervt! Vermeide schon am Anfang deiner aufstrebenen Yogalehrer-Karriere, Worte und Phrasen, die nur dazu da sind, dich am Schnattern zu halten. Sei einfach still. Lobe oder sage nur etwas, wenn es auch wirklich nötig und angebracht ist, sonst nimmt dich keiner mehr ernst!
10. Schaffe dir eine Community
Trommel ein paar Yogalehrer zusammen,vielleicht sogar ein paar Leute aus deiner Ausbildung. Trefft euch einmal die Woche und unterrichtet euch gegenseitig, besprecht Themen, die euch beschäftigen und lernt voneinander. Eine unterstützende Truppe im Hintergrund ist Gold wert!
Am Anfang ist es nicht immer leicht, entspannt zu unterrichten. Ich habe bestimmt ein halbes Jahr vom Unterrichten geträumt und meinen damaligen Freund nachts im Schlaf korrigiert und dazu noch ständig das Mantra Om gesungen, kein Scherz.
Es ist aufregend, alles so neu. Lass Dir Zeit, sei geduldig und setze dich nicht unter Druck. Yogalehrer zu sein ist eine große Verantwortung. Der Schüler schenkt dir sein größtes Vertrauen, Zeit und Hingabe. Bevor du also deine Zeit nach der Yogalehrer Ausbildung sofort ins Marketing steckst, werde erst einmal ein fundierter Yogalehrer! Deine Schüler werden dich dafür lieben. Versprochen!
P.S Ich schreibe Yogalehrer, meine damit natürlich auch die Frauen!!!
Nino
13. April 2015 at 17:02Liebe Madhavi,
ich bin eher eine stille Mitleserin hier, aber heute muss ich Dir ein dickes Lob aussprechen.
Ich werde im Juli meine Yogalehrer Ausbildung beenden und Deine Tipps sind goldwert.
Ich hoffe nun auch den letzten Schritt, gut zu unterrichten zu schaffen.
Hab einen sonnigen Tag
Nino
Madhavi Guemoes
13. April 2015 at 17:11Oh, vielen Dank, Nino♡
Days of Yoga
13. April 2015 at 17:58Liebe Madhavi, ich bin voll bei dir mit dem Feedback geben. Ich glaube, es ist auch sehr wichtig sich immer daran zu erinnern, was einen als Schüler wirklich weiterbringt in der Praxis – und damit meine ich nicht nur Asanas – und dann seinen eigenen Weg zu finden das rüberzubringen. Sich also wirklich immer wieder zu fragen, warum sind diese Menschen hier und wie kann ich ihnen meine Wertschätzung entgegenbringen? Ein gesundes Selbstbewusstsein kann sicherlich auch nicht schaden. Keine Arroganz, sondern die nötige Kompetenz auszustrahlen. Immer mit dem Wissen im Kopf, dass man ja selbst auch immer Schüler bleiben wird. Dana
Madhavi Guemoes
13. April 2015 at 18:07Meine Liebe, DAS sollte natürlich erstmal die Voraussetzung sein, überhaupt Yogalehrer zu werden, nicht 😉 ?
Maike Dominique Risser
13. April 2015 at 21:19danke für deinen artikel, made my day! habe es bislang nach meiner Ausbildung noch nicht geschafft, zu unterrichten. Deine Punkte haben mir eine Orientierung gegeben und mich inspiriert!
Madhavi Guemoes
13. April 2015 at 21:19Hach, das freut mich sehr!!! Danke!
diana
14. April 2015 at 0:35Her mit dem Kurs für „Taufrische Yogalehrer“, der sich mit diesen deinen Themen beschäftigt, vor allem auch das Selbstvertrauen stärkt, locker macht und die Angst vorm Versagen nimmt. Ich habe mein Scheinchen seit 2012 und war einfach ein Hosensch… – zuviel Kopfkino, zu hohe Ansprüche, zu viele Ausreden 😉 ? Es wird sich zeigen, ob ich/ man es wirklich will! Ommmmm…
Andrea
14. April 2015 at 23:23Hallo Madhavi,
sehr schöner Artikel, danke. Ich habe gerade meine 2 1/2jährige Ausbildung beendet und bange meinem ersten Job entgegen, der im Mai startet – Studenten unterrichten :-), ich bin sehr gespannt!
Namasté
Finny
20. Mai 2015 at 0:28Danke! Ich bin (noch) kein Lehrer… aber was mich immer wundert ist, wenn ich Yoga-Lehrer sagen höre: „Dies ist ein Kurs für Fortgeschrittene, da sage ich nicht viel an“ – heißt gleich: nur den Namen der Asana. Fertig. Und dann thront er oder sie da vorn. Ist das Lustlosigkeit oder sinnvoll ? *grübel, grübel*
Alexandra
4. Oktober 2015 at 12:25Hallo,
ich bin auch gerade dabei meine ersten Stunden zu geben und ich weiss nicht, über was ich am Anfang der Stunde reden soll…bin auch nicht so die große Rednerin.
Meinen Kurs gebe ich an der Vhs und meine Schüler sind auch schon Geübte.
Namaste und noch einen schönen Sonntag
Alexandra
marion
1. April 2016 at 23:27hallo madhavi,ich bin durch zufall auf deine seite gestoßen. ich unterrichte seit ca 1 jahr als yogalehrerin
u. wollte gern wissen, ob es besser ist,in der ansage „du“ zu sagen oder „ihr“. übrigens, deine tipps sind
sehr hilfreich,dankeschön 🙂
Madhavi Guemoes
2. April 2016 at 8:09Liebe Marion, ich finde „du“ eher unpassend, denn Du sprichst ja zu einer Gruppe und nicht zu einem Privatschüler. Mich irritiert es immer, wenn ein Lehrer „du“ sagt….Die meisten Lehrer, die ich kenne sagen „ihr“. Ich hoffe, das hilft Dir ein wenig weiter. Liebe Grüße, Madhavi